Kalte Enteignung - wie die Euro-Rettung uns um Wohlstand und Renten bringt by Campus
Autor:Campus
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
Tags: Rettungsschirm, Europa, Banken, Renten, Finanzkrise, Bundesbank, EZB, Euro
ISBN: 9783593421490
Herausgeber: Campus
veröffentlicht: 2013-06-20T22:00:00+00:00
Ergänzende Literatur
Die Zahlen zum internationalen Reiseverkehr stammen aus der Commerzbank-Reisestudie 2013, zu finden unter http://www.deutschertourismusverband.de/themen/marktforschung/allgemeine-touristische-studien/reisestudie-der-commerzbank.html
Zur deutschen Zahlungsbilanz siehe Deutsche Bundesbank: Monatsbericht März 2013: Die deutsche Zahlungsbilanz für das Jahr 2012.
Kapitel 8
Das verflixte siebte Jahr
Immobilienkrise, Lehman und die Folgen
Bankraub ist für Dilettanten.
Profis gründen eine Bank.
Bertolt Brecht
Am 15. September des Jahres 2008, einem Montag, ging in New York das Bankhaus der Gebrüder Lehman (Lehman Brothers Inc.) in Konkurs. Deutsche Kommentatoren sagen gerne »Liemähn«, aber die Gründer der Firma, die Brüder Henry und Maier Lehman, kamen tatsächlich aus Deutschland, aus der Gegend von Würzburg, von wo sie Mitte des 19. Jahrhunderts ausgewandert waren. In ihrer neuen Heimat betrieben sie zunächst einen Gemischtwarenladen, dann einen Baumwollhandel, dann eine kleine, bald größere Bank, die dann, lange nach dem Tod der Gründer, nach zahlreichen Umsiedlungen, Übernahmen (aktiv und passiv), Zukäufen und Ausgründungen zu einer der weltweit größten sogenannten Investmentbanken überhaupt geworden ist. Das sind Banken, die sich auf Vermögensverwaltung und den Handel mit Wertpapieren spezialisieren. In dieser Funktion waren die Lehman-Brüder bis über beide Ohren auch im Immobiliengeschäft involviert, und das war dann ihr – und vieler anderer Banken – Untergang.
Dieser Untergang hat die Eurokrise und den dadurch orchestrierten, sozusagen subkutanen, indirekten Großangriff auf das Vermögen der deutschen Sparer und Rentner weder verursacht noch ausgelöst, aber beschleunigt und viele unangenehme Tatsachen, die man ansonsten noch lange hätte verschleiern können, weit früher ans Tageslicht gebracht. Vorausgegangen war ein beispielloser Anstieg der amerikanischen Immobilienpreise – in den zehn Jahren zwischen 1996 und 2006 hatten sorglose Häuslebauer im Verein mit unvorsichtigen Banken und verschlafenen Bankenaufsehern die größte Immobilienblase der amerikanischen Geschichte erzeugt. In dieser Dekade stieg der Case-Shiller-Index, der Standard-Maßstab für die Verkaufspreise von Einfamilienhäusern in den größeren amerikanischen Metropolregionen, um fast 200 Prozent, mehr, als jemals sonst in solch kurzer Zeit gemessen worden ist. Und der Kauf sehr vieler dieser Häuser geschah auf Pump, oft ohne einen einzigen Dollar Eigenkapital. Das waren die sogenannten NINJA-Hypotheken: »No Income, No Job, No Assets.« In Deutschland bekäme man in einer solchen Lage von keiner einzigen Bank auch nur einen Cent. In den USA aber schon. Denn nach einem im Jahr 1995 von Präsident Clinton erlassenen Gesetz (einer Verschärfung des sogenannten »Community Reinvestment Act« aus dem Jahr 1977) waren Hypothekenbanken verpflichtet, einen gewissen Prozentsatz ihrer Immobiliendarlehen an Minderheitengruppen zu vergeben. Jeder Amerikaner, so Clinton, sollte sein eigenes Haus besitzen, und damit das auch mittellose Amerikaner konnten, fuhr man die Zinsen und die Sicherheiten auf Geheiß von oben immer mehr zurück – das Paradebeispiel einer Krise, die nicht durch Deregulierung, sondern durch Regulierung hervorgerufen worden ist. Denn ohne dieses Clinton-Gesetz hätte es die Immobilienblase und die nachfolgende Weltwirtschaftskrise vermutlich nicht gegeben.
In normalen Zeiten werden in den USA pro Jahr rund eine Million neuer Einfamilienhäuser gebaut, im Jahr 2006, kurz bevor die Blase platzte, waren es dagegen über zwei Millionen, und die ausstehenden Hypotheken erreichten 80 Prozent des amerikanischen Sozialprodukts, zusammen mehr als fünf Billionen US-Dollar. So hoch war der private Schuldenstand noch nie.
Die Banken ließen sich auf dieses Spiel vor allem aus zwei Gründen ein.
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